Seurat, Signac, Van Gogh. Als Georges Seurat 1891 im Alter von 31 Jahren unerwartet stirbt, ahnt Camille Pissarro bereits, dass sich mit Seurats „Erfindung“ Folgen für die Malerei abzeichnen würden, „die später höchst bedeutungsvoll sein würden“: Mit nur wenigen Bildern hatte Seurat einen Stil begründet, der wegweisend für die Moderne sein sollte: den Pointillismus.
Georges Seurat, Paul Signac, Vincent Van Gogh
Théo van Rysselberghe – Sitzender Akt, 1905, Albertina, Sammlung BatlinerDie Albertina widmet dieser faszinierenden Strömung eine hochkarätige Ausstellung, die den Beginn der Moderne mit dem Pointillismus als ihrem Geburtshelfer um ein wesentliches Kapitel vervollständigt: 100 ausgewählte Meisterwerke der Hauptvertreter Seurat und Signac sowie beeindruckende Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen moderner, von der Punktekunst faszinierter Meister wie Van Gogh, Matisse und Picasso illustrieren die atemberaubende Strahlkraft sowie den bedeutenden Einfluss dieser Kunstrichtung. In Kooperation mit dem Kröller-Müller Museum erzählt Seurat, Signac, Van Gogh die Erfolgsgeschichte des Pointillismus von ihrem Anfang 1886 bis zu ihren Auswirkungen Anfang der 1930er-Jahre.
Georges Seurat, Paul Signac und Théo van Rysselberghe
Théo van Rysselberghe – Sitzender Akt, 1905, Albertina, Sammlung Batliner
Théo van Rysselberghe – Im Juli, Familie im Obstgarten, 1890, Otterlo, Kröller-Müller Museum
Zwischen Realismus und Abstraktion
Théo van Rysselberghe – Mademoiselle Alice Sèthe, 1888 Saint-Germain-en-Laye, Musée départemental du PrieuréDie Maler, die wegen ihrer außergewöhnlichen Technik ‚Pointillisten‘ genannt wurden, setzen 1886 dazu an, den bis dahin gültigen Avantgardismus der Impressionisten herauszufordern. Die Entwicklung der Malerei in Paris gegen Ende des 19. Jahrhunderts gibt Pissarros vorausschauendem Urteil recht: Die Flächigkeit und Stilisierung sowie die Bewegungs- und Teilnahmslosigkeit der dargestellten Figuren in den Werken von Seurat zeigen, dass es Seurat nicht mehr um das Dargestellte sondern um die Darstellung – also die Art der Malerei – selbst geht. Die Komposition seiner Bilder folgt zunehmend geometrisch überlegten Linien, die vielen systematisch gesetzten Punkte wirken wie tausendfach zerlegte Ornamente.
Achille Laugé, Madame Astre, 1892 Carcassonne, Musée des Beaux-ArtsDie inhaltliche sowie formale Abstraktion sind nicht mehr aufzuhalten. Mit der Reduktion der malerischen Handschrift auf die kleinstmögliche künstlerische Äußerung – den Punkt – distanzieren sich Seurat, Signac, Pissarro und Rysselberghe allerdings nicht nur von der Wiedergabe des flüchtigen Augenblicks der Impressionisten, sondern stellen mit ihren Ansätzen das Malen nach der Natur in Form von Pinselstrichen, wie es seit Jahrhunderten Gültigkeit hatte, gänzlich in Frage. Punkte in reiner Farbe, die die Pointillisten dem Prinzip der optischen Farbmischung folgend eng nebeneinandersetzen, generieren eine bis dahin ungekannte Strahlkraft und eine Vielzahl an Farbimpulsen. Die realistische Sicht auf die Welt weicht der Darstellung einer synthetischen Wirklichkeit: Der Moderne stehen mit einem Schlag alle Türen offen. Nach Seurats Tod ist es vor allem sein Wegbegleiter Signac, der die Punkttechnik weiterentwickelt: Gemeinsam mit Henry-Edmond Cross steigert er die Leuchtkraft, intensiviert die Farbkontraste und prägt den Begriff des ‚Divisionismus‘. Bald entwickeln sich die kleinen, systematisch gesetzten Punkte zu Strichen, die aus entsprechender Entfernung im Auge eine Farbmischung eingehen sollen. Mit diesem liberaleren Ansatz befreit Signac die Maler von der Verpflichtung zur Punkttechnik: Eine jüngere Generation, der unter anderen Henri Matisse und sein Kreis sowie Piet Mondrian angehören, brechen schließlich aus dem rigiden System Seurats aus.
Vincent Van Gogh: Ein individueller Weg
Vincent van Gogh – Der Sämann, 1888, Collection Kröller-Müller Museum, Otterlo, NiederlandeEin wichtiger Mittler bei dieser Entwicklung ist Vincent van Gogh, der als Außenseiter und kurzfristiger Anhänger des Pointillismus neue Wege beschreitet. Zunächst greift er Seurats Ideen mit Begeisterung auf: Seine Palette wird heller und strahlender – zahlreiche flirrende Punkte finden Einzug in seine Landschaften. Doch die systematische Punktemanier spielt nie eine wirklich tragende Rolle in Van Goghs Schaffen; schnell entscheidet er sich für eine freiere Ausdrucksweise, die ihm eher entspricht:
„Das Pointillieren, das Aurelieren und dergleichen, das halte ich für wirkliche Entdeckungen; aber man muss schon jetzt dafür sorgen, dass diese Technik nicht – sowenig wie andere – zu einem allgemeinen Dogma wird.“ sagt er bereits 1888 und setzt der kühlen und rationalen Malerei des Pointillismus seinen individuellen Ausdruck und Gefühl entgegen.
Vincent van Gogh, Interieur eines Restaurants, 1887, Kröller-Müller Museum, Otterlo
Auch an den Werken Pablo Picassos gehen der Pointillismus und seine zukunftsweisenden Ideen nicht spurlos vorüber. Zu gleich drei Zeitpunkten in seiner Karriere – 1901, 1914 und 1917 – setzt sich der Spanier in spielerischer Weise mit den Werken Seurats auseinander und integriert Punkte in seine Werke. Zunächst motiviert ihn sein Wille, dem Zeitgeist zu entsprechen, später entwickelt er mit lose gesetzten Punkten dekorative Flächen und somit den sogenannten ‚Rokoko-Kubismus‘. Zuletzt schafft Picasso mit seinem Meisterwerk Heimkehr von der Taufe nicht nur ein präzises sondern vollkommenes Zitat des Pointillismus. Seurat, Signac, Van Gogh – Wege des Pointillismus 16. September 2016 – 8. Jänner 2017 [Albertina]
Seine Werke zeigen eine spannende und farbenfrohe Bildgestaltung in den verschiedensten Darstellungstechniken. Die Faszination seiner Bilder liegt in der Beherrschung …
Hinterlasse jetzt einen Kommentar
Kommentar hinterlassen
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Art On Screen verwendet Cookies und Google-Analytics, um Ihr Surferlebnis auf unserer Kunst- und Kultur-Plattform zu verbessern. Für Ihre Datenschutzeinstellungen klicken Sie bitte auf nachfolgenden Button.
Einstellungen
Hinterlasse jetzt einen Kommentar