Deutscher Expressionismus. Die Sammlungen Braglia und Johenning

Leopold Museum Wien

MAX PECHSTEIN 1881–1955, Junge Dame mit Federhut, Deutscher Expressionismus, Ausstellung im Leopold Museum, die sammlungen braglia und johenning
MAX PECHSTEIN 1881–1955, Junge Dame mit Federhut, 1910, Öl auf Leinwand, 84 × 73 cm, Renate und Friedrich Johenning Stiftung, Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger © Pechstein–Hamburg/Tökendorf/Bildrecht Wien, 2019

Deutscher Expressionismus. Die Sammlungen Braglia und Johenning. Die Ausstellung im Leopold Museum präsentiert erstmals in Österreich eine Auswahl expressionistischer Werke aus zwei bedeutenden europäischen Kunstsammlungen.

Die Sammlungen Braglia und Johenning

EMIL NOLDE, Sommergäste, Aquarell auf Japanpapier, Deutscher Expressionismus, Ausstellung im Leopold Museum, die sammlungen braglia und johenning
EMIL NOLDE 1867–1956, Sommergäste, 1938–1945, Aquarell auf Japanpapier, 19 × 13,5 cm, Fondazione Gabriele e Anna Braglia, Lugano, Foto: Christoph Münstermann © Nolde Stiftung Seebüll

Rund 100 Exponate in der Ausstellung im Leopold Museum kommen aus der Fondazione Gabriele e Anna Braglia, Lugano und der Renate und Friedrich Johenning-Stiftung aus Nordrhein-Westfalen. Ergänzend werden in der Ausstellung Deutscher Expressionismus rund zehn Werke aus weiteren Sammlungen gezeigt, darunter Werke der Nolde Stiftung Seebüll, des Leopold Museum sowie der Privatsammlung Leopold. Die Wege, welche die beiden passionierten Sammler zum deutschen Expressionismus geführt haben, waren unterschiedlich. Erwarb Gabriele Braglia bereits 1950 ein Werk des Futuristen Mario Sironi, entdeckte er den deutschen Expressionismus in den 1980er-Jahren für sich. Paul Klees Aquarell Erinnerung an Romanshorn (1913) bildete den Auftakt dieser Sammeltätigkeit Braglias. Bei Friedrich Johenning bewirkte in den 1960er-Jahren der Erwerb des Aquarells Alpenveilchen und Chrysanthemen (1952–1955) von Emil Nolde (Nolde Biografie → …) eine Initialzündung. Anna Braglia und Renate Johenning teilten jahrzehntelang die Passion ihrer Ehemänner. Die hohe Qualität der Kollektionen beruht in beiden Fällen auf der gemeinsamen Auswahl der Kunstwerke. Paul Klee → …

Deutscher Expressionismus – eine Kunstrebellion

„Von ihrer suggestiven Wirkung haben die Werke des deutschen Expressionismus bis heute nichts eingebüßt. Von diesem Gedanken geleitet, widmet sich das Leopold Museum diesem folgenreichen Kapitel der europäischen Moderne.“ Hans-Peter Wipplinger

AUGUST MACKE, Porträt Mathilde Macke, Deutscher Expressionismus, Ausstellung im Leopold Museum, die sammlungen braglia und johenning
AUGUST MACKE 1887–1914, Porträt Mathilde Macke, 1907, Öl, Bleistift auf Karton, 46,6 × 37,5 cm, Renate und Friedrich Johenning Stiftung Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war eine aufstrebende Generation von Kunstschaffenden auf der Suche nach neuen Ausdrucksmitteln. In Opposition zur akademischen Tradition und in Auflehnung gegen gesellschaftliche Normen kämpften sie für die Freiheit des künstlerischen
Ausdrucks. Sie hinterfragten den Schönheitsbegriff, enthoben die Farbe ihrer abbildenden Funktion, bevorzugten lapidare Formen und bedienten sich einer raschen und impulsiven Malweise. Nicht mehr die naturalistische Darstellung zählte, sondern die Vermittlung innerer Zustände. Anfangs unverstanden oder ignoriert, sahen sich die VertreterInnen der neuen Kunstrichtung in der Zwischenkriegszeit zunehmend mit Diffamierungen konfrontiert. Die Nationalsozialisten beschlagnahmten ihre Werke und entfernten sie aus den Museen. Im Deutschland der Nachkriegszeit wurde der Expressionismus als scheinbar völlig „unbelastete“ Kunstrichtung zum Symbol demokratischer, humaner Werte. Heute ist die herausragende internationale Bedeutung expressionistischer Kunst unumstritten und sorgt für Rekordergebnisse am Kunstmarkt. Lesetipp: Bestandsaufnahme Gurlitt – „Entartete Kunst“ → …

Eine impressionistische Ouvertüre

EMIL NOLDE, Frauenkopf, Aquarell auf Papier, Deutscher Expressionismus, Ausstellung im Leopold Museum
EMIL NOLDE 1867–1956, Frauenkopf, 1920–1925, Aquarell auf Papier, 47,5 × 35 cm, Renate und Friedrich Johenning Stiftung, Foto: Linda Inconi-Jansen © Nolde Stiftung Seebüll

Deutscher Expressionismus: Der fortschrittlich denkende Galerist Paul Cassirer bewarb Lovis Corinth, Max Liebermann und Max Slevogt als „Dreigestirn des Berliner Impressionismus“. Corinth zählte zu den Wegbereitern des Expressionismus. Der in der Ausstellung neben Corinth vertretene Max Liebermann, ein passionierter Sammler impressionistischer Kunst aus Frankreich, war 1898 Gründungsmitglied und erster Präsident der Berliner Secession. 1910 sprach sich eine Jury unter seinem Vorsitz gegen das Ausstellen expressionistischer Werke in der Secession aus. Ein Streitbrief von Emil Nolde (Mondnacht 1914 → …) contra Liebermann führte zum Ausschluss Noldes aus der Künstlervereinigung. Die jungen Expressionisten gründeten als Reaktion auf die Ablehnung die Neue Secession, in deren erster Präsentation, der Kunstausstellung Zurückgewiesener der Berliner Secession, u.a. Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Otto Mueller und Karl Schmidt-Rottluff ausstellten. Der Neuen Secession stand Max Pechstein (Gelbe Maske II → …) als Präsident vor, Mitglieder waren u.a. Marianne von Werefkin und Franz Marc. Liebermann legte aufgrundder Konflikte 1911 sein Amt zurück. Lovis Corinth, der neue Vorsitzende der Secession, erlitt im selben Jahr einen Schlaganfall. Wohl infolgedessen wurde sein Werk durch den Einsatz eines freien, ungestümen Pinselstriches zunehmend expressiver. In der Phase der Genesung entstand das Melonenstillleben (1912). Der rekonvaleszente Künstler fand vor allem am bayerischen Walchensee Erholung und Inspiration. Die in der Ausstellung Deutscher Expressionismus – die Sammlungen Braglia und Johenning präsentierte Walchenseelandschaft schuf Corinth 1923. August Macke – Biogrfie → …

Die Seelenlandschaften der Brücke

MAX PECHSTEIN 1881–1955, Junge Dame mit Federhut, Deutscher Expressionismus, Ausstellung im Leopold Museum
MAX PECHSTEIN 1881–1955, Junge Dame mit Federhut, 1910, Öl auf Leinwand, 84 × 73 cm, Renate und Friedrich Johenning Stiftung, Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger © Pechstein–Hamburg/Tökendorf/Bildrecht Wien, 2019

In der Absicht, neue Wege zu beschreiten, gründeten 1905 Ernst Ludwig Kirchner (der Maler als Fotograf → …) Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Fritz Bleyl in Dresden die Künstlergemeinschaft Brücke. Dem Porträt Emmi Frisch von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Jahr 1908 lag eine postimpressionistische Sichtweise zugrunde, doch bald fand der Maler zu einem eigenständigen Stil. Max Pechstein, der 1906 zu den Brücke-Künstlern stieß, kam schon früh mit der Malerei von Henri Matisse und den Fauves in Berührung. Er war der erste Brücke-Künstler, der nach Berlin zog. 1910 malte er in eruptiven Farben Junge Dame mit Federhut. Vermutlich stand seine spätere Frau Lotte Kaprolat für das Bild Modell. Seit 1909 fuhr Pechstein im Sommer wiederholt in das Fischerdorf Nidden in Ostpreußen, 1911 und 1912 gemeinsam mit Lotte. Das Gemälde Abends (1911) zeigt weibliche Akte in einer paradiesisch-exotischen Vegetation und erinnert an die Tahiti-Bilder Paul Gauguins, die Pechstein im selben Jahr in der Galerie Paul Cassirer gesehen hatte.

Irdisches Paradies in freier Natur

OTTO MUELLER, Zwei Akte im Walde, Deutscher Expressionismus, die sammlungen braglia und johenning
OTTO MUELLER 1874–1930, Zwei Akte im Walde, 1925, Gouache, Aquarell, Wachskreide auf Papier, 68 × 52,2 cm, Fondazione Gabriele e Anna Braglia, Lugano Foto: Roberto Pellegrini

Auch Erich Heckel suchte ein irdisches Paradies in freier Natur, etwa in Osterholz an der Flensburger Förde, wo 1913 Fördeufer – Badende am Förde entstand. Schnell hingeworfene Akte, sich im Freien bewegende Figuren und Badende bevölkern die Zeichnungen Heckels. Otto Mueller, ein weiteres Brücke-Mitglied, kreierte um 1910 einen unverkennbaren Akttypus. Seine gelängten Figuren zeichnen sich durch eckige Gliedmaßen aus, die Köpfe weisen ein spitzes Kinn und schräg gestellte Augen auf. Das 1925 entstandene Blatt Zwei Akte im Walde zeigt nackte weibliche Figuren als Geschöpfe im Einklang mit der Natur. Neben Akten in freier Natur waren auch landschaftliche Konstellationen von Interesse. Vermutlich im Zuge seines Sommeraufenthaltes in Dangast an der Nordsee im Sommer 1911 malte Karl Schmidt-Rottluff in energischen Gesten das Aquarell Haus an der Straßenkurve. Deutscher Expressionismus. Tipp: Jawlensky → … ein russisch-deutscher Maler des Expressionismus im Umfeld von Wassily Kandinsky.

Bildgalerie zur Ausstellung – Deutscher Expressionismus

Deutscher Expressionismus. Die Sammlungen Braglia und Johenning. 15.11.2019 bis 20.04.2020 – Ausstellung im Leopold Museum Wien.  Art On Screen – Ticket Service. Tickets einfach und bequem online bestellen. Hier geht es zum Ticket Service →

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