Oskar Kokoschka. Expressionist, Migrant, Europäer

Leopold Museum Wien

OSKAR KOKOSCHKA, Bessie Bruce, Frau von Adolf Loos
OSKAR KOKOSCHKA, Bessie Bruce, 1910 © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie Foto: bpk/Nationalgalerie, SMB/Jörg P. Anders © Fondation Oskar Kokoschka/Bildrecht Wien, 2019

Das Leopold Museum zeigt mit der Ausstellung Oskar Kokoschka. Expressionist, Migrant, Europäer die erste umfassende Kokoschka-Retrospektive in Wien seit rund 30 Jahren. 

„Er war immer bereit, sich stören zu lassen“, charakterisierte ihn seine Frau Olda Kokoschka (1915–2004).

Oskar Kokoschka mit kahlrasiertem Kopf,
WENZEL WEIS 1858–1929 Oskar Kokoschka mit kahlrasiertem Kopf, Wien 1909 © Universität für angewandte Kunst Wien, Kunstsammlung und Archiv, Oskar Kokoschka Zentrum Foto: Universität für angewandte Kunst Wien, Oskar Kokoschka Zentrum © Fondation Oskar Kokoschka/Bildrecht Wien, 2019

Die Schau zählt darüber hinaus zu den umfangreichsten je gezeigten posthumen Kokoschka-Präsentationen und vereint rund 260 Objekte, darunter 79 Gemälde und 81 Arbeiten auf Papier sowie zahlreiche Fotografien, Autografen, Publikationen und Dokumente. Insgesamt 64 LeihgeberInnen aus einem Dutzend Ländern ermöglichen es, anhand der bedeutendsten Werke Kokoschkas ein facettenreiches Bild vom Schaffen des Ausnahmekünstlers in einer bemerkenswerten Dichte zu zeigen. Oskar Kokoschka (1886–1980) zählt zu den wichtigsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Als zentraler Mitbegründer des Österreichischen Expressionismus, der – zugunsten einer subjektiven Ausdruckskunst – den um 1900 in Wien dominierenden Jugendstil überwand, ist er mit dem Pionier des Expressionismus Richard Gerstl (1883-1908) sowie mit Egon Schiele (1890-1918) Hauptvertreter dieser Kunstrichtung.

Oskar Kokoschka-Retrospektive

Die Kokoschka-Retrospektive im Leopold Museum ist weitgehend chronologisch angelegt und führt durch die wichtigsten Themen im OEuvre des Künstlers. Im Zentrum stehen dabei die Orte von Kokoschkas Schaffen: Wien, Berlin, Dresden, die zahlreichen Stationen seiner Reisejahre, Prag und die Exilstadt London und schließlich der Schweizer Ort Villeneuve am Genfersee, wo der Künstler ab 1953 die letzten drei Jahrzehnte seines Lebens verbrachte.

OSKAR KOKOSCHKA, Selbstbildnis,
OSKAR KOKOSCHKA, Selbstbildnis, eine Hand ans Gesicht gelegt, 1918/19 © Leopold Museum, Wien Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger © Fondation Oskar Kokoschka/Bildrecht Wien, 2019

Oskar Kokoschka erhält mit dieser Ausstellung des Leopold Museum, als einer der wichtigsten österreichischen Vertreter der Moderne, die längst überfällige Würdigung jenseits aller Jubiläen und Gedenkanlässe. Als radikaler Neuerer und unbeugsamer Humanist ist Kokoschka zweifellos eine künstlerische Schlüsselfigur, auf die sich nachfolgende Generationen an KünstlerInnen bis heute beziehen. Im Kontext „Wien um 1900“ steht der „Schwierige“ bisweilen zu Unrecht im Schatten von Klimt und Schiele, obwohl gerade Oskar Kokoschka die Wiener Kunstszene und das Bürgertum aufrüttelte und das Feld für Österreichs endgültigen Sprung in die Moderne ebnete. Kokoschka ist mit Sicherheit der Vielseitigste im Dreigestirn der Österreichischen Moderne: Klimt–Schiele–Kokoschka, dem man als Vierten im Bunde wohl auch Richard Gerstl → … hinzufügen muss. Während Gerstl 1908 mit nur 25 Jahren in den Freitod ging und Egon Schiele zehn Jahre später, 1918, im Alter von 28 Jahren verstarb, lebte Kokoschka bis 1980. Seine Lebens- und Schaffensphase umspannt daher einen großen Teil des 20. Jahrhunderts. Klimt–Schiele–Kokoschka →

Oskar Kokoschka – Pionier der Wiener Moderne

OSKAR KOKOSCHKA, Selbstbildnis eines „entarteten Künstlers“,
OSKAR KOKOSCHKA, Selbstbildnis eines „entarteten Künstlers“, 1937 © National Galleries of Scotland. On loan from a private collection Foto: National Galleries of Scotland © Fondation Oskar Kokoschka/Bildrecht Wien, 2019

Aufgrund der intensiven Sammlungstätigkeit des Museumsgründers Rudolf Leopold (1925-2010), der die Bedeutung Schieles und Kokoschkas als Pioniere der Moderne früh erkannte, verfügt das Leopold Museum über zentrale Bestände insbesondere seiner frühen expressionistischen Phase, so vier Gemälde Kokoschkas, u.a. die Dolomitenlandschaft Tre Croci (1913) und das Selbstbildnis, eine Hand ans Gesicht gelegt (1918/19). Das Museum ist weiters in der glücklichen Lage, auf die Bestände der Privatsammlung Leopold zurückgreifen zu dürfen, unter diesen Gemälde wie Fortuna (1915), Selbstbildnis an der Staffelei (1922) oder die Stadtlandschaft Amsterdam (1925). Darüber hinaus ist es gelungen, weitere Kokoschka-Dauerleihgaben für das Leopold Museum zu gewinnen, darunter die Porträts Natalie Baczewski (1907) und Hermann Schwarzwald II (1916), sowie die Gemälde Zwei Mädchen (1934) und die mitten im zweiten Weltkrieg im Londoner Exil entstandene politische Allegorie Anschluss – Alice im Wunderland (1942). Wien um 1900. Aufbruch in die Moderne →

Kokoschka Ausstellng im Überblick

Die Ausstellung setzt mit den frühen Erfolgen Kokoschkas im Rahmen der Kunstschau 1908 ein und spannt einen weiten Bogen von den ungeschönten Figurenstudien des jungen Künstlers bis zu seinem letzten Selbstbildnis, Time, Gentlemen Please (1971/72). Früh wurde Kokoschkas Talent gefördert durch weitblickende Persönlichkeiten wie seinen Kunstgewerbeschule-Professor Franz Cižek (1865–1946), den Secessionsgründer Gustav Klimt oder den bahnbrechenden Architekten Adolf Loos. Es folgt ein Einblick in jene Werke Kokoschkas, die veritable Skandale auslösten und seinen Ruf als „Oberwildling“ begründeten. Mit über zwei Dutzend hochkarätigen frühen expressionistischen Bildnissen, die hinter die dekorative Fassade der bürgerlichen Weltordnung blicken, wird sein beispielloses Wirken als schonungsloser Porträtist der Kunst- und Geisteswelt seiner Zeit beleuchtet. Neuankäufe des Leopold Museums ermöglichen, Kokoschkas Beiträge für die Berliner Kunstzeitschrift Der Sturm nachzuvollziehen. Auch dem umfangreichen Werkkomplex, der aus seiner leidenschaftlichen Beziehung (Eine schwierige Liebesbeziehung mit Alma Mahler → …) zur Komponistin Alma Mahler (1879–1964) resultierte, ist ein eigener Raum gewidmet. Mit dem Eintreten Alma Mahlers in das Leben Kokoschkas wurde aus dem anonymen Geschlechterkampf im Frühwerk die Verarbeitung einer persönlichen Liebesbeziehung. Die Ausstellung macht den Wandel von Kokoschkas Frauenbild nachvollziehbar, das in den 1930er-Jahren schließlich in der Beschwörung der Mutter als Friedenstifterin im Kampf gegen Nationalsozialismus und Antisemitismus mündete. Oskar Kokoschka Biografie – Leben, Zitate →

Oskar Kokoschka – Frieden, Freiheit und Menschenrechte

OSKAR KOKOSCHKA, Veronika mit dem Schweißtuch,
OSKAR KOKOSCHKA, Veronika mit dem Schweißtuch, 1909 © Szépművészeti Múzeum – Museum of Fine Arts Budapest Foto: Szépművészeti Múzeum – Museum of Fine Arts Budapest © Fondation Oskar Kokoschka/Bildrecht Wien, 2019

Nach seinen künstlerischen Anfängen in Wien und längeren Aufenthalten in Berlin ab 1910, machten die politischen Wirren des letzten Jahrhunderts aus Kokoschka einen Migranten mit Stationen in Dresden (1916–23), Paris und anderen Reisedestinationen (1923–33), Prag (1934–38), London (1939–53) und schließlich Villeneuve (1953–80). Angesichts der sich verschärfenden weltpolitischen Situation in den 1930er-Jahren wurde Kunst für Kokoschka, der sich als Seismograf gesellschaftlicher Veränderungen verstand und für Frieden, Freiheit und Menschenrechte kämpfte, zum politischen Botschaftsträger. Im Zweiten Weltkrieg als „entarteter Künstler“ diffamiert, davor und danach als Referenzfigur für die österreichische Identitätskonstruktion vereinnahmt, blieb Kokoschkas Verhältnis zu seiner einstigen Heimat ambivalent. Die Ausstellung legt einen Schwerpunkt auf das zeitpolitisch motivierte Schaffen des Antifaschistischen und Pazifisten Kokoschka und analysiert den Künstler anhand zahlreicher Dokumente als durchaus ambivalenten „Homo politicus“.

Nachkriegszeit – Staatsbürgerschaft – Dr. Bruno Kreisky

Im letzten Teil der Schau steht die Nachkriegszeit im Mittelpunkt, die Annäherung an Österreich, die schließlich zur Wiederverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft im Jahr 1974 auf Initiative von Bundeskanzler Bruno Kreisky führte. Auch später, im von zwei Weltkriegen erschütterten Europa, wo gegenständliche Kunst in Verruf geraten war, setzte sich der dreifache documenta-Teilnehmer unerschrocken für die Anerkennung der figurativen Malerei ein – die für ihn untrennbar mit einem humanistisch-antiken Menschenbild verbunden war – und wurde so zum Vorbild für nachfolgende Künstlergenerationen. Die Beschäftigung mit Theater, Oper, Antike und Mythologie, sein durch Humanismus und dem Bekenntnis zu Europa durchdrungenes Wirken bestimmten die Jahre in der Schweiz, wo Kokoschka seit 1953 lebte – dem Jahr der Gründung von Kokoschkas Sommerakademie in Salzburg. 1980, im Alter von 93 Jahren verließ er die Weltbühne. All diesen Aspekten trägt die große Retrospektive des Leopold Museum Rechnung. (Leopold Museum – Wien → …) Mit dem Art On Screen Ticket Service können Sie Tickets einfach und bequem online bestellen Ticket Service →  …

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